Positionspapier zum “Grünen Wegenetz”

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Igel,

sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,

der Schutz der Natur, die Förderung des Grünen und die damit einhergehende Sicherung unserer eigenen Lebensgrundlage ist dem Grünstreifen Ludwigsfelde e.V. ein großes Anliegen. Die wochenlangen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen in Folge der Corona-Pandemie haben die zentrale Bedeutung gut erreichbarer, zugänglicher und nutzbarer öffentlicher Grünflächen und Freiräume nachdrücklich belegt. Die Menschen in Ludwigsfelde haben mit ihrem Nutzungsverhalten sehr deutlich gezeigt, was die Menschen in diesen Krisenzeiten schätzen und was Teil der Lebensqualität ist, die ihre Stadt in besonderer Weise bietet: Freiräume, Grünverbindungen, Gärten und Kleingärten, Straßen mit weniger Autoverkehr werden zum Spazierengehen genutzt, viel mehr Radfahrerinnen und Radfahrer sind unterwegs, Menschen gehen zu Fuß für Bewegung und Freiheitsgefühl; denn gerade Bewegung und Begegnungen sind für das menschliche Wohlbefinden von zentraler Bedeutung. Daher begrüßt der Grünstreifen Ludwigsfelde e.V. Ihr Vorgehen zum „Grünen Wegenetz“ außerordentlich. Für uns ist völlig klar, dass das Vorhandensein einer Umwelt, die Raum für das ganz individuelle Erhalten der eigenen Vitalität bietet, systemrelevant für die Ludwigsfelder Stadtgesellschaft ist! Stadtgrün als Puffer in Krisenzeiten lässt sich auf zwei Kernfaktoren zurückführen: Fläche je Einwohner*in und Qualität. Insbesondere für Menschen, die keinen eigenen Garten haben, sind es vor allem die öffentlichen Grünanlagen und Parks, die den notwendigen Ausgleich bringen. Dort ist es möglich, sich auf Abstand gut verteilt zu bewegen, Natur zu erleben und zumindest auf Zeit der Enge der Wohnung zu entfliehen. Die Corona-Krise wird sich auch längerfristig auf die Städte auswirken. Grüne und blaue (also Wasser) sowie soziale Infrastrukturen werden noch mehr an Bedeutung für die Stadtgesellschaft gewinnen. Denn die räumliche Situation in der Nachbarschaft, im Quartier sowie in Stadt- und Ortsteilen, aber auch in der Gesamtstadt sind bestimmende Faktoren für die Gesundheit der Bevölkerung. Auch die Wahrnehmung von Stadtgrün als Stadtnatur ist in den letzten Jahren gestiegen, nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Stadtgrün trägt unmittelbar zum Klimakomfort der Stadtbevölkerung und damit zu ihrer Gesundheit bei. Bäume, vor allem solche, die über Jahrzehnte herangewachsen sind, reduzieren mit ihren großen Kronen gerade in verdichteten städtischen Gebieten die Hitzeeinstrahlung, verringern die Aufheizeffekte und steigern die Luftfeuchtigkeit. Sie sind essenziell für das Mikroklima und damit die Durchlüftung der Stadträume, die Kühlung an den häufiger werdenden Hitzetagen und tragen so zur Gesundheit aller Bevölkerungsgruppen bei. Dies gilt in besonderem Maße für ältere Menschen als durch die Corona-Pandemie besonders betroffene Risikogruppe.

In der Informationsvorlage 20/1.192 wurden Sie im Dezember 2020 über die Maßnahme „Grünes Wegenetz“ in Ihrer Rolle als Stadtverordnete informiert. Ziel ist es der Vorlage folgend ein Handlungskonzeptes für das „Grüne Wegenetz“ mit breiter Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern zu beschließen. Gerne möchte sich der Grünstreifen Ludwigsfelde e. V. hier aktiv und nachhaltig einbringen.

Der besagten Vorlage kann man entnehmen, dass es um für Fußgänger und Radfahrer geeignete Wege geht, welche die innerstädtischen Bereiche der Stadt Ludwigsfelde mit den landschaftlich geprägten Erholungsräumen im Umfeld der Stadt (im Besonderen unserer Ortsteile) verbinden. Es zielt auf den „langsamen Naherholungsverkehr“ ab, der auf Landschafts- und Naturerleben ausgerichtet ist und grenzt sich damit von den Planungen für den Alltagsverkehr ab. Es zeichnet sich durch einen hohen Grünanteil entlang der Wege aus, welche in der Regel abseits vom motorisierten Verkehr verlaufen. Die Wege binden Freizeit- und Erholungseinrichtungen mit ein und knüpfen in den Stadtrandlagen in der Regel an das regionale Erholungswegenetz an.

Auf Grundlage dieser Erkenntnis geben wir Ihnen als Grünstreifen Ludwigsfelde e.V. folgende Hinweise bzw. Fragen:

  • Grünflächen sollten schnell und sicher erreichbar sein (am besten mit einem Fußweg, der nicht weiter als 5 Minuten entfernt ist), gut räumlich verteilt und vernetzt im Stadtraum liegen, um Wegealternativen darzustellen und Wegekopplungen zu unterstützen.
  • Stadtgrün ist als eine wichtige Infrastruktur zu sichern und weiterzuentwickeln. Dies steht oft im Konflikt mit planerischen Zielsetzungen einer tragfähigen städtebaulichen Dichte. Auf gesamtstädtischer Ebene und in den Stadtteilen und Quartieren sind Planungen jeweils genau zu prüfen, mit Datengrundlagen nicht nur des Städtebaus, sondern auch der Gesundheitsberichterstattung und im Sinne einer notwendigen Verbesserung der Klima-Resilienz zu untermauern und dann gerecht durch die Stadtverordnetenversammlung abzuwägen.
  • Die Reduktion der Fläche des Stadtgrüns und die Einschränkung seiner Qualität hätte negative Folgen für die Attraktivität und Wirtschaft Ludwigsfeldes. Zukünftig werden die Menschen bei der Auswahl ihres Wohn- und Arbeitsortes noch mehr auch die Umwelt- und damit Grünqualitäten als Kriterium heranziehen. Ziel muss es sein, diesen Standortvorteil zu erhalten und auszubauen.
  • Die Infrastruktur in Parks und Grünanlagen, sowie an Radwegen leidet unter einem erheblichen Sanierungsstau. Alleine die Potsdamer Straße, die auch von vielen Radfahrenden genutzt wird und zurzeit eine Hauptfahrrradroute durch die Stadt darstellt, hat einen erheblichen Sanierungsbedarf. Daher fragt der Grünstreifen Ludwigsfelde e.V., ob es in Anlehnung an das „Grüne Wegenetz“ in der Folge ein Konzept für ein gesamtstädtisches Fuß-, Rad- und Erholungswegenetz geben wird. Wenn ja, wann ist damit zu rechnen? Aus unserer Sicht ist im Sinne des „Grünen Wegenetzes“ und der Verkehrswende eine Parallelverbindung zur Potsdamer Straße als Fahrradstraße zwingend erforderlich. 
  • Viele Ludwigsfelder Bäume haben unter den beiden Hitzesommern 2019 und 2020 stark gelitten. Viele Bäume sind abgestorben oder in ihrer Vitalität geschädigt. Die Verkehrssicherungskontrollen, das Entfernen von Totholz, Fällen und Nachpflanzen von Bäumen, die Bodenverbesserung in Pflanzbereichen sowie die Pflege von Jungbäumen und das Bewässern in Trockenperioden sind sehr arbeitsintensiv und kostenaufwendig. Einige dieser Aufgaben führen die städtische Kommunalservice nicht selbst durch, sondern setzen dazu Fremdfirmen ein. Der Finanzbedarf für Baumkontrolle und Baumpflege steigt beständig an. Hier sollte vor allem bei Neupflanzungen darauf geachtet werden, dass klimaresistente Bäume gepflanzt werden. Darüber hinaus wäre der Grünstreifen Ludwigsfelde e.V. daran interessiert gemeinsam mit der Stadt Ludwigsfelde, der Märkischen Heimat und Ludwigsfelder Wohnungsgenossenschaft eG Gespräche aufzunehmen, um einen gemeinsamen Weg zum Umgang mit Baumpatenschaften abzustimmen und im Stadtgebiet zu implementieren.
  • Die Ludwigsfelder Grünanlagen und Parks haben nicht nur eine hohe Bedeutung als Aufenthaltsräume, sondern tragen auch wesentlich zur innerstädtischen Biodiversität bei und erhöhen die Klima-Resilienz in unserer Stadt. Sie puffern Starkregen ab und wirken kühlend bei Hitze. Diese Funktionen sollte im Sinne einer Klimaanpassungsstrategie zum Schutz der Artenvielfalt systematisch weiter gestärkt werden. Dazu zählt beispielsweise, Straßenbegleitgrün als Versickerungsbereiche anzulegen, Blühflächen zu schaffen durch Einbringung von Blumenzwiebeln (wie die Narzissen vor dem Klubhaus) und Aussaat geeigneter regionaler Saatgutmischungen in vorbereitete Blühstreifen.
  • Bei all den genannten Maßnahmen ist wichtig Wege- und Sichtbeziehungen zu erhalten oder zu ermöglichen, Angsträume zu vermeiden und die Beziehungen zwischen Grünflächen und den sich anschließenden öffentlichen Straßenfreiräumen für alle sicher und nutzbar zu gestalten. All dies stärkt die Attraktivität der Grünanlagen und der Stadt Ludwigsfelde. Insbesondere sollte dabei darüber nachgedacht werden öffentlichen Grünflächen eine Nutzung zuzuführen und Grillplätze, sowie Spiel- und möglicherweise auch Hundewiesen auszuweisen. Die Installation von s. g. Naschhecken, beispielsweise an Spielplätzen, die zum Selberpflücken von Himbeeren, Brombeeren und Blaubeeren gegen den kleinen Hunger einladen, ist eine Idee, die der Grünstreifen Ludwigsfelde e. V. bereits länger verfolgt. Diese Maßnahme hat das Ziel, dass Kinder die Herkunft ihrer Lebensmittel erkunden können, die bäuerliche Arbeits- und Lebenswelt entdecken und viel über ökologische, ökonomische und soziale Zusammenhänge und Wirtschaftskreisläufe erfahren. Es braucht integrierte Konzepte für die Stadt von Morgen. Politik, Behörden, Fachämter und für das urbane Grün verantwortliche Akteure müssen miteinander im Gespräch sein, damit die unterschiedlichen Fachplanungen aufeinander abgestimmt und langfristige Ziele und Handlungsschwerpunkte der Ludwigsfelder Stadtentwicklung definiert werden. Die Verzahnung von innerstädtischem Grün, umweltfreundlicher Mobilität und Stadtentwicklung bei Neubauvorhaben und im Bestand sollten systematisch konzeptionell vorangebracht werden. Dafür bietet das Grüne Wegenetz einen guten Ansatz, den man quartierscharf bzw. ortsteilscharf weiterdenken, diskutieren und entwickeln sollte.
  • Einige wichtige Aspekte des städtischen Grüns bedürfen zunächst der Aufarbeitung, bevor Maßnahmenprogramme umgesetzt werden können. Hierzu zählen beispielsweise ein Konzept zum Altbaumschutz in Ludwigsfelde, ein Konzept zur Sicherung und Entwicklung von Baumstandorten gegenüber dem innerstädtischen Park(platz)druck und standörtliche Vorschläge für die Verbesserung der Klimapufferfunktion im städtischen Grün.
  • Um die Aufenthaltsqualität vieler Grünanlagen wieder zu verbessern, bedarf es einer ganzen Reihe von (Kleinst-)Projektplanungen. Solche Planungen und Konzepte stellen wiederum die Basis, um sich beispielsweise bei umsetzungsbezogenen Bundesförderungen zu bewerben.
  • Zur Begleitung einer wirksamen Grün- und Freiraumentwicklung in Ludwigfelde bei dem aus unserer Sicht das „Grüne Wegenetz“ nur einen Baustein darstellen, sollte eine Jahreskonferenz „Grün in der Stadt Ludwigsfelde“ stattfinden, in der ehrenamtliche und hauptamtliche Akteure beraten, Bilanz ziehen und gemeinsam feste Ziele vereinbaren sowie ggf. Verantwortlichkeiten festlegen. Ziel soll es dabei nicht sein, in laufende Prozesse und Verantwortlichkeiten der Stadtverwaltung Ludwigsfelde einzugreifen. Es soll vielmehr ein Dialog sein, um verbindliche Verabredungen erreichen zu können und Maßnahmen zum Erhalt und zur Entwicklung des Stadtgrüns in Ludwigsfelde breit zu koordinieren und synergistisch umzusetzen.  

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